Vom Japonismus zu Zen. Paul Klee und der Ferne Osten
Bisher wurde Paul Klees Auseinandersetzung mit fernöstlicher Kunst, die ihn während seines gesamten künstlerischen Schaffens inspirierte, wenig erforscht. In der Ausstellung wird zum ersten Mal versucht, die vielfältigen Aspekte von Klees Beschäftigung mit ostasiatischer Kunst integral darzustellen.
Über den Rahmen des engen, ‹klassischen› Japonismus hinaus lässt sich die Bedeutung der Tuschmalerei und der Kalligrafie hin zum Zen-Buddhismus für Klees Schaffen nachvollziehen. Zudem wird – gleichsam als Kontrapunkt dazu – auch der Klee-Rezeption im heutigen Japan ein besonderes Augenmerk gewidmet.
Paul Klee und der ‹klassische› Japonismus
Der Japonismus war in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa eine Modeerscheinung.
Dies
trifft insbesondere auf Frankreich zu, wo vor allem Künstler des
Impressionismus und Postimpressionismus sowie der Gruppe Nabis von
japanischer
Kunst stark beeinflusst wurden. Der sogenannte ‹klassische› Japonismus
erreichte etwa 20 bis 30 Jahre später Deutschland. Der Impuls der
japanischen
Kunst war dort jedoch nicht so intensiv wie zuvor in Frankreich. Klee
begann
seine künstlerische Karriere zu der Zeit, als die jungen Künstler in
Deutschland allmählich auf die japanischen Quellen aufmerksam wurden.
Vor diesem
Hintergrund schuf er zwischen 1900 und 1908 einige Werke, in denen die
Einflüsse japanischer Farbholzschnitte (Ukiyo-e) sichtbar sind.
Klees bildnerische Umsetzung chinesischer Gedichte
1916 schuf Klee einen
Zyklus von ‹Schriftbildern›, sechs Aquarelle, in denen er Gedichte aus dem Band Chinesische Lyrik vom 12. Jahrhundert v. Chr. bis zur Gegenwart illustrierte. Das Buch war Paul und Lily Klee zu Weihnachten 1909 von Alexander und Zina Eliasberg,
die damals mit den Klees eng befreundet waren, geschenkt worden. Erst sieben
Jahre später, während des Ersten Weltkrieges, wuchs Klees Interesse an China,
als ideellem Flucht- und Projektionsfeld für sein künstlerisches Schaffen.
Tuschmalerei
Zwischen
1910 und 1914 beschäftigte sich Klee mit ostasiatischer Tuschmalerei. So bezog
er sich in den Aquarellen dieser Jahre auf gewisse Motive, die er in
fernöstlichen Bildern gesehen hatte, und verwendete bei der Malarbeit eine der
Tuschmalerei vergleichbare Technik. Diese beschrieb er 1910 in seinem Tagebuch
mit folgenden Worten: «Aquarelle nass in nass auf
wasserbestäubtes Papier. Schnelle nervöse Arbeit mit einem bestimmten Klang,
dessen Teile über das Ganze verspritzt.»
Kabuki-Theater
Kabuki
ist das traditionelle japanische Prunktheater der Edo-Zeit
(1603–1867). Ähnlich wie die europäische Barockoper ist das Kabuki-Theater eine
Art Gesamtkunstwerk, das von Tanz, Musik, Kostümen und Dramatik geprägt ist.
Die Schauspieler des Kabuki-Theaters wurden vorwiegend durch deren Porträt-Holzschnitte, welche die Stars
oft paarweise darstellten, populär.
Kalligrafie
Im Fernen Osten wurde
die Kalligrafie als gleichwertige Schwesterkunst neben der Malerei betrieben.
Sowohl in der Kalligrafie als auch in der Tuschmalerei geben die Striche die
Spur der Pinselbewegung und damit getreu den Akt des Schreibens/Zeichnens
wieder. Paul Klee äusserte sich während seiner Lehrtätigkeit an der
Kunstakademie in Düsseldorf um 1931 zur Kalligrafie: «Die Malerei gilt ja nach
dem Vorbilde Chinas nicht als eine Technik, als ein Handwerk, sondern ist durchaus
der Kalligraphie gleichgestellt. Das Wesen der Kalligraphie besteht nach
chinesischen Begriffen nicht etwa in der Sauberkeit und Gleichmässigkeit der
Handschrift, die leicht zur Erstarrung führen kann, sondern wohl darin, dass
man das, was man auszudrücken hat, in möglichster Vollkommenheit, aber mit dem
geringsten Aufwand an Mitteln darstellt.»
(Zen-)Buddhismus
Nach
seiner Rückkehr in die Schweiz Ende 1933 setzte sich Klee mit der
Weltanschauung des Buddhismus auseinander. So las er in
seinem «Exil» in Bern das Buch Die Grosse
Befreiung – Einführung in den Zen-Buddhismus von Daisetz Teitaro Suzuki.
Sein zeichnerischer Zyklus zu den «Urchsen» ist eine Reaktion auf ‹die zehn
Ochsenbilder›, die in Suzukis Buch illustriert sind.
Bereits während seiner Zeit am Bauhaus in Weimar wurde Klees Wesen mit
einer buddhistischen Haltung in Verbindung gebracht. Der Schriftsteller Bruno Adler erinnerte sich: «Die
Studierenden verehrten den Meister, den sie gern ‹Buddha› nannten, hoch, ebenso
die Kollegen. Kandinsky, Feininger, Schlemmer respektierten ihn als die höchste
Instanz in allen Streitfragen.»
Paul Klees Rezeption im heutigen Japan
Die
Wirkungsgeschichte von Paul Klees Kunst setzte in Japan bereits 1913 mit einem
Zeitungsbericht über die Ausstellung Erster
Deutscher Herbstsalon in der Galerie Der Sturm, Berlin ein. Vor dem Zweiten
Weltkrieg galt Klee in Japan als kultureller Vermittler zwischen der
japanischen Tradition und der westlichen Moderne. Dank des unermüdlichen
Einsatzes japanischer Schriftsteller, Kunstsammler und Künstler erfuhr Klee in
der Nachkriegszeit eine Neubewertung und gelangte zu grosser Bekanntheit.
Nach wie vor setzen sich Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Kunstbereiche – Musik, Dichtung, Literatur, Architektur, Comic, bildende Kunst – mit dem Schaffen von Klee auseinander. Seine künstlerische Haltung, Ästhetik und sein Denken gaben einigen Protagonisten verschiedener Kunstsparten wichtige Impulse für ihr eigenes kreatives Tun. Die in der Ausstellung vorgestellten Beispiele verdeutlichen, dass die vielseitige Kunstwelt Klees über einzelne Kunstgattungen hinaus Kunstschaffende anspricht. Insbesondere führt die bildende Künstlerin Leiko Ikemura einen zeichnerischen, malerischen und dichterischen Dialog mit Klee in einer packenden Installation. Ebenso populär ist Klee heute bei einem breiten japanischen Publikum, das sich von Klees Ästhetik angesprochen fühlt. Ob Klees Nähe zur japanischen Tradition oder seine eigenständige Position in der westlichen Kunst für diese Faszination verantwortlich ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden.