Sammlungspräsentation Ad Parnassum
Die Ausstellung rund um das Meisterwerk.
Michael Baumgartner, Kurator
Leiter Abteilung Sammlung, Ausstellungen und Forschung
Die aktuelle Werkschau vermittelt einen repräsentativen Überblick über Paul Klees Werdegang als Maler: Von seinen frühen Bildern und künstlerischen Experimenten am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts zu seiner Selbstfindung als Maler im Umfeld des «Blauen Reiters»; von seinen Werken der Bauhauszeit zwischen 1921 und 1930 über sein Schaffen an der Düsseldorfer Kunstakademie bis zum Spätwerk, das von 1934 bis 1940 in Bern entstand. Den Mittel- und Höhepunkt der Ausstellung bildet das Meisterwerk «Ad Parnassum» (lat., «beim/zum Parnass») von 1932 , um das die gesamte Präsentation chronologisch und thematisch gruppiert ist. Die Werkauswahl rund um «Ad Parnassum» konzentriert sich dabei auf wichtige und exemplarische Exponate aus der Sammlung des Zentrum Paul Klee – darunter zahlreiche Werke, die Paul Klee selber mit dem Qualitätssiegel «Sonderklasse» bezeichnet und damit für seine Nachlasssammlung reserviert hat.
Chronologische und thematische Ausstellungskonzeption
Eine ausgewählte Werkgruppe zeigt die Bedeutung und die Entwicklung der wichtigen Bildmotive «Berg» und «Pyramide» im Schaffen Paul Klees auf. Der Berg Parnass galt in der griechischen Mythologie als Sitz Apollos, des Gottes der Künste, und als Heimat der Musen. Der Berg – als Alpengipfel oder in abstrakter Form als Pyramide – zieht sich als Bildmotiv wie ein roter Faden durch das Werk Paul Klees. Er steht symbolisch als Wunschbild für das Erreichen künstlerischer Ziele, für die Sehnsucht nach Reisen und die Erfahrung fremder Kulturen. «Ad Parnassum» bildet das «Kronjuwel» in der Werkgruppe der so genannten «pointilistischen» Bilder, die während Klees Lehrtätigkeit an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf zwischen von 1931 bis 1932 entstanden sind. Die Ausstellung veranschaulicht diesen Malstil, für die der punkteförmige Auftrag der Farbe auf der Malfläche charakteristisch ist - eine Technik, die Georges Seurat und Paul Signac in ihren spätimpressionistischen Gemälden etwa fünfzig Jahre zuvor erfunden hatten. Wie Antithesen zur malerischen und kompositorischen Perfektion des Meisterwerks «Ad Parnassum» wirken die radikal impulsiven, schell hingeworfenen Zeichnungen, mit denen Paul Klee das Streben nach Meisterschaft und Perfektion bald hinterfragt. 1933 reagierte der Künstler mit einer Serie von expressiven Zeichnungen auf die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Nach seiner Emigration nach Bern zeigen sich im Jahre 1935 die ersten Anzeichen einer schweren Erkrankung, die 1940 zum Tod des Künstlers führen sollte. In den letzen drei Lebensjahren steigert sich Paul Klee in einem obsessiven Schaffensdrang zu einer intensiven künstlerischen Produktion, in deren Verlauf über 2000 Werke entstehen - darunter eine Vielzahl schnell hingeworfener Zeichnungen sowie zahlreiche grossformatige Gemälde.
Die Werke der «Sonderklasse»
Nach 1925 entwickelte Paul Klee ein festes Klassifikationssystem für seine farbigen Arbeiten. Die oberste Stufe dieses Systems bildet die «Sonderklasse», die er mit SCL oder SKL abkürzte. Klee kennzeichnete damit unverkäufliche Werke, die er für sich selbst behalten wollte. Rund 150 Werke aus der Zeit zwischen 1901 und 1924 tragen das Kürzel für Sonderklasse. Die eindeutige Mehrheit der Sonderklasse-Bilder - ungefähr 220 Werke - stammt aus der Zeit der Weimarer Republik, in der Klee auf dem Kunstmarkt, in der Kunstkritik und Museumskultur zum Meister einer modernistischen Kunst aufstieg und gleichzeitig am Bauhaus in Weimar und Dessau erfolgreich als Kunstpädagoge tätig war. Obwohl der Umfang von Klees Produktion nach 1933 bis zu seinem Tod 1940 zunahm, hat er in dieser Zeit insgesamt nur noch 19 Werke als Sonderklasse-Bilder gekennzeichnet. Die Vermutung liegt nahe, dass Klee seine Werke vermehrt dann als Sonderklasse einstufte, wenn er kommerziell erfolgreich war: Je mehr Werke er verkaufte, desto mehr klassifizierte er als unverkäuflich.
«Ad Parnassum» im Zentrum Paul Klee - eine konservatorische «Sensation
Das Werk «Ad Parnassum», das seit 1935 als Dauerleihgabe des Vereins der Freunde zur Sammlung des Kunstmuseum Bern gehört, wird zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder ausgeliehen: Aufwändige Untersuchungen haben es möglich gemacht, das ebenso berühmte wie empfindliche Werk ins nahegelegene Zentrum Paul Klee zu überführen. Der delikate Zustand des relativ grossen Gemäldes liegt in der Arbeitsweise von Klee begründet: Dieser war nicht nur inhaltlich und formal, sondern auch technisch experimentierfreudig. Im Fall von «Ad parnassum» verwendete der Künstler eine Mischung von Kasein- und Ölfarben, die mit der Zeit spröde wurden. Bruchrisse machen die Haftung der Farschicht unstabil; Vibrationen und Klimaveränderungen können dem Bild unwiederbringlichen Schaden zufügen. Paul Klee hat den fragilen Aufbau des Bildes selber detailliert beschrieben:
«Attest des Künstlers»
a. viereckige Gliederung als Grundlage;
technisch Kaseinfarben auf ungrundierter Leinwand
b. Kleinteilung mit
weißer Ölfarbe
c. Lasur dieser Kleinteilung mit Ölfarben, welche mit
Terpentinöl und etwas Malmittelzusatz verdünnt wurden
d. der warme Kreis
Ölfarbe
e. die Linie Ölfarbe
Um die Erschütterungen abzuschätzen, denen das Gemälde bei seiner Reise in das Zentrum Paul Klee ausgesetzt ist, wurde ein Transport unter realistischen Bedingungen simuliert und wissenschaftlich ausgewertet. Für die Simulation wurde ein Versuchsgemälde mit gleicher Grösse, gleichem Gewicht und ähnlichem Leinengewebe in vergleichbarer Spannung verwendet. Dieses «Testbild» wurde mit dem originalen Rahmen, mit bruchsicherer Schutzverglasung und einem Rückseitenschutz versehen. Als Transportverpackung diente eine Klimakiste mit Wärmedämmung und massgefertigter Polsterung. Am Gemäde selber sowie in- und ausserhalb der Kiste wurden Geräte für die Aufzeichnung der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und der Erschütterungen befestigt. Der Transport wurde mit einem klimatisierten und luftgefederten Spezialfahrzeug durchgeführt. Die Untersuchungen ergaben, dass die spezielle Transporttechnik die Vibrationen auf dem Weg vom Kunstmuseum Bern ins Zentrum Paul Klee so stark reduzierte, dass dieser Transport bewilligt werden konnte.
Weitere Informationen zur Ausstellung
Eine reich illustrierte Publikation, welche die kunsthistorischen und kunsttechnologischen Untersuchungen des Bildes «Ad Parnassum» dokumentiert, ist im Museumsshop erhältlich.